Bein gebrochen oder nicht? Kennt ihr das? Mal eben aus dem Kälberiglu abgehauen oder im Gewühl kopflos irgendwo rein gesprungen und schon haben wir den nächsten Patienten.
Vorstellungsgrund: das Tier steht auf 3 Beinen.
Jetzt gilt es das Ausmaß der Verletzung einzuschätzen. Hat sich das Tier nur Vertreten oder steckt etwas Ernsteres dahinter.
Bei der Untersuchung achten wir daher auf:
- Achsabweichung (steht es komisch ab?)
- Schwellung
- Krepitation (Knirschen oder Knacken)
- Functio laesa (eingeschränkte Funktion)
- Schmerz/Lahmheit
Auch ohne Röntgengerät lässt sich eine Fraktur so oft sicher feststellen.
Grundsätzlich muss dann die Entscheidung getroffen werden ob eine Behandlung medizinisch und wirtschaftlich sinnvoll ist. Dabei gilt: je weiter proximal (also oben am Bein) die Fraktur und umso schwerer das Tier, umso schlechter die Prognose. Ist der Bruch im Gelenk oder gelenksnah? Wie soll das Tier in Zukunft genutzt werden (Zucht / Mast)?
Ist die Fraktur sogar offen (die Haut ist verletzt und Knochenteile schauen heraus) ist eine chirurgische Versorgung nötig, die in der Regel aus Kostengründen entfällt. Bei ausgewachsenen Tieren sollte auch die Option der Notschlachtung im Hinterkopf behalten werden.
Muss Zeit überbrückt werden, bis der Tierarzt vor Ort ist um das Tier zu untersuchen sollte der Bewegungsradius eingeschränkt werden (extra Box, anbinden etc.). Andere Tiere sollten ausgesperrt werden. Von der Verabreichung von Schmerzmitteln ist bis zur Sicherung der Diagnose abzusehen. Es erhöht die Gefahr der vermehrten Nutzung der Gliedmaße und bei einer möglichen Schlachtung hätte das Tier sonst Wartezeit auf Fleisch.
Ist eine konservative Versorgung möglich, sollte das Tier in Narkose gelegt werden. Brüche sind sehr schmerzhaft und wir müssen ja das Bein ausrichten und fixieren.
Im Idealfall liegen die Frakturenden voreinander, ansonsten muss der Bruch reponiert (gerichtet) werden. Ist jemand parallel in der Pferde-Praxis tätig und hat ein Röntgengerät dabei, ist dies natürlich ideal.
Wenn möglich das Gelenk ober-und unterhalb der Fraktur mit in den Gips/Cast mit einbeziehen. Zuvor das Bein gut mit Watte abpolstern und mit einer Binde fixieren, damit keine Druckstellen entstehen (auch den Zwischenklauenspalt). Zum Hautschutz reiben wir das Bein vorher gerne noch mit Jod-oder Lebertranzinksalbe ein.
Zum Versteifen der Gliedmaße hat man dann die Wahl zwischen Cast-Binden (Kunstharz, das nach Berührung mit warmen Wasser aushärtet) oder Gipsbinden. Vorteil der Cast-Binden ist ihr geringes Eigengewicht. Gips ist im Preis unschlagbar. Lieber eine Binde mehr, als zu wenig nehmen. Sonst biegt sich oder bricht der Verband sogar.
Das Bein sollte in möglichst gestreckter Position fixiert werden, um Sehnenverkürzungen zu vermeiden.

Eine Modifikation ist der „Walking-Cast“, der auf dem Bild zu sehen ist. Dabei handelt es sich um einen, zusätzlich an den Cast angebrachten, Metallbügel (z.B. ein Moniereisen oder was sich auf dem Betrieb sonst so findet). Dieser wird so an das Bein angepasst, dass die Klaue „schwebt“ und somit die Last vom Bügel und nicht von der Klaue getragen wird. Diese Variante eignet sich vor allem für schwerere Tiere. Trotzdem ist Boxenruhe angesagt.
Man sollte den Sitz des Castes regelmäßig überprüfen.
Ist Alles ok, kann der Cast/Gips 6 Wochen belassen werden. Dieser Zeitraum reicht meist für eine ausreichende Kallusbildung/Festigung. Die Abnahme kann entweder mit einer oszillierenden Säge oder einem Ließ’schen Draht (der schon beim Anlegen integriert wurde) erfolgen.
Die dabei entstehenden Halbschalen eignen sich auch sehr gut für einen Stützverband für die kommenden Tage.