Harnödem beim männlichen Rind

Auf den Bildern seht ihr ein Rind mit Harnödem. Was war passiert? Zunächst muss es eine Verengung der Harnröhre gegeben haben. Mögliche Ursachen sind Traumata, Entzündungen, Hämatome und Abszesse. Die Verstopfung kann auch nach einer fehlerhaften unblutigen Zangenkastration auftreten. Meistens sind es aber Harnsteine. Es sind fast nur männliche Rinder betroffen, oftmals im Alter von 3 bis 6 Monaten. Das liegt am langen und gewundenen Verlauf der Harnröhre beim männlichen Rind. Die Steine bleiben gerne in der Flexura sigmoidea stecken und die haben weibliche Rinder nicht. In der Regel sind Einzeltiere betroffen, selten Bestandsweise (eher in Feedlots in Amerika).

Zunächst zeigen die Tiere ein paar Tage eine reduzierte Futter- und Wasseraufnahme, Kolik-Schmerzen (häufiges Hinlegen und Aufstehen, gegen den Bauch treten) und Pressen auf Urin (Schwanz abhalten), es kommt aber kein Urin. Den fehlenden Urinabsatz (Anurie) erkennt man an den trockenen Präputialhaaren. Es gibt Schmerzäußerungen, wie Stöhnen und Zähneknirschen. Dann verschwinden die Symptome, denn die Harnröhre ist geplatzt und der Druck erstmal weg. Das macht es aber nur kurz besser. Nun läuft der Urin unter die Haut und dadurch kommt es zu der Schwellung am Unterbauch, die man im Bild gut sieht. Die pralle Umfangsvermehrung nennt man dann Harnödem. Wenn man eine Nadel einsteckt läuft Urin aus (riecht aber manchmal erst nach einer Erwärmung wie Urin). Oft läuft so viel Urin unter die Haut, dass auch der Hodensack anschwillt. Das Gewebe stirbt ab, wird erst blau, dann schwarz. Das nennt man dann erst Harnphlegmone und später Harngangrän.
Es gibt die Möglichkeit solche Rinder zu operieren. Da schafft man dann einen künstlichen Harnausgang an einer Stelle vor dem Harnröhrenverschluss. Eine sogenannte Harnröhrenfistel. Das kostet allerdings natürlich ein paar Mark. Außerdem werden solche Rinder oft erst in einem späten Stadium vorgestellt, wenn sie bereits eine Urämie haben. Wenn man es erst spät operiert schaffen es nur etwa ein Drittel der Rinder mit erheblichem Pflegeaufwand zu überleben. Bei nur geringem Harnödem sind die Chancen besser.

Fun Fact: Die Aufnahme von Phytoöstrogenen (zum Beispiel aus Soja, Klee & Luzerne) hat neben der erwähnten Wirkung auf die Schleimhaut (Epithel) der Harnwege noch einen zweiten negativen Effekt. Es kommt zu einer Vergrößerung der akzessorischen Geschlechtsdrüsen und damit zu einer Einengung der Harnröhre. Kennt man von älteren Herren mit Prostata-Problemen, die haben auch Probleme beim Wasserlassen.

Fun Fact 2: eine frühzeitige Kastration von Rindern, also vor dem sechsten Lebensmonat, führt zu einem gesteigerten Risiko von festsitzenden Steinen in der Harnröhre. Denn durch das fehlende Testosteron aus den Hoden entwickelt die Harnröhre einen kleineren Durchmesser.

Literatur

Gronau, Stefanie (2003): Aetiologie, Klinik und Prognose bei männlichen Rindern mit Harnröhrenverschluss. – Dissertation, LMU München.